Es kommt immer auf den Millimeter an. Jeroen Van Rooijen bei der Arbeit an einer Nähmaschine.
Technik & Handwerk

Es kommt immer auf den Millimeter an

Zu Genauigkeit und Präzision gibt es wenig Alternativen. Nicht nur beim Bauen oder Renovieren kommt es auf Millimeter an, manchmal auch Bruchteile davon, sondern in vielen anderen Disziplinen auch. Natürlich in technischen Anwendungen – aber genauso in kreativen Berufen. Ich bin ursprünglich gelernter Schneider/Modedesigner und weiss, wovon ich spreche.

Ein guter Lehrer hat mir einmal gesagt: Ein gutes Schnittmuster ist an sich schon schön – seine Linien und Proportionen müssen stimmen, sonst stimmt nachher auch das daraus geschneiderte Kleidungsstück nicht. Ein gutes Schnittmuster für Kleidung hat wohlgeformte Linien, scheinbar selbstverständliche Proportionen und fügt sich mühelos zu einem harmonischen Ganzen. Das habe ich nie vergessen. Seither achte ich penibel auf den Verlauf von Linien und prüfe, ob eine Gerade harmonisch in eine Kurve übergeht. Dabei kommt es oft auch auf Millimeter an.

Das Arbeiten an Millimetern mag bei einem flexiblen Gegenstand wie einem Hemd oder eine Hose allzu detailversessen wirken. Doch das ist es nicht: Oft sind es genau diese Finessen, die aus einem ordentlichen Entwurf ein besonderes Stück machen. Schiebt man einen Abnäher etwas zu weit in die Mitte, wird alles plump – läuft eine Schulter zu steil oder gerade, hängt das ganze Jackett schief.

Als ich die Produktionshallen von 4B in Hochdorf besuchte, war ich fasziniert von den vielen Parallelen, die ich zwischen meinem ursprünglichen Beruf und der Arbeit der Fensterbauer erkannte. Die Basis von gutem Handwerk ist immer profunde Material- und Verarbeitungskenntnis, das Wissen um die Konstruktion und der Wille, für ein ganz bestimmtes Ziel das bestmögliche Ergebnis zu schaffen.

Auch wenn die Arbeitsmittel und Ergebnisse unterschiedlich sind, so sehe ich eindeutig: Der hohe Grad an handwerklicher Arbeit und Präzision, die im Produkt steckt, macht es zu einem Meisterstück.

Jeroen van Rooijen, Jahrgang 1970, wuchs in der Ostschweiz auf, studierte in Zürich Modedesign und schreibt seit über 25 Jahren für verschiedene Medien (Annabelle, NZZ, GQ, Harper’s Bazaar) über die spannenden Querbezüge zwischen Mode, Lifestyle und Lebensart.