Klimaneutralität – das ist das Ziel der EU wie auch der Schweiz für 2050. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste auch der Bausektor seine Emissionen in den kommenden zwei Jahrzehnten auf Null senken. Ist das überhaupt möglich? Wo sehen Sie das grösste Potenzial, um Emissionen beim Bauen senken zu können?
Wenn es sich lohnt, wie der Stand der heutigen Diskussionen suggeriert, die Sanierungs-potenziale bei älteren Gebäuden zu heben und dabei bei der Sanierung von Dächern und der Erneuerung von Fenstern rasch vorzugehen, weil damit der Bedarf an Heiz- und Kühlenergie um 20 oder gar 30 Prozent reduziert werden kann, dann müsste man das auch entsprechend priorisieren und fördern.
Immobilien werden auch in der Krise attraktiv bleiben und eine hohe Nachfrage kennen. Aber das Verhalten bei ökologischen Themen ist nicht konsistent. Beispiel: Leider haben in den letzten paar Jahren nur sehr wenige Immobilieninserate den Heizungstyp angegeben. Gemäss ZKB sind es bei Mietwohnungen 3%, bei STW-Eigentum 10%, bei EFH 13% – und das im Schnitt von 2015-2022. Angebote mit fossilen Heizungen werden öfters angeklickt wegen des tieferen Preises. Energie sollte günstig verfügbar, aber nicht billig sein. Etwas brutal und provokativ gefragt: brauchen wir zuerst einen Verrückten wie Putin, der den Europäern den Gashahn abdreht, bis wir die Augen öffnen? Warten wir, bis es zu spät ist, weil unsere Nachbarn auch warten?
Inwiefern haben nachwachsende Materialien (wie z.B. Holz) einen Einfluss auf den ökologischen Fussabdruck eines Gebäudes?
Auch das ist eine recht komplexe Frage. Holz z. B. ist nunmehr seit vielen Jahren ein Trendprodukt, gilt als natürlich, lebendig, wird mit Nähe assoziiert und hat emotionale Vorteile: Wenn ich im Engadin eine Wohnung miete oder kaufe, die viel Holz hat, gehe ich einfach davon aus, dass das alles lokal gewachsen, produziert und verarbeitet wurde. Und dass die Aufforstung sowieso stattfindet, also was geschlagen wurde, auch ersetzt wird. Wie genau die Verarbeitung war, mit welchen Chemikalien gearbeitet wurde, ob die bestimmte Holzart sich schnell, langsam oder nur schwerlich regeneriert oder ob es gar keinen Ersatz gibt, weil die Fläche umgenutzt wird, ist dann kein Thema mehr. Hilfreich ist sicher die Transparenz und lückenlose Rückführbarkeit, hier gibt es ja gute Ansätze. Aber wenn am Schluss ein Produkt deutlich billiger ist, jedoch mit vergleichbarer Qualität, wie wichtig ist dann noch 100 % Swissness? Genügen auch 80 oder 60 %? Wir haben ja bei vielen Markenartikeln gesehen, wie schwierig es ist, konsequent zu sein. Oder vergleichen Sie die lokalen Äpfel. Sie gelten als gesünder, weil sie aus der Region sind und ich den Produktions- und Ernteprozess nachverfolgen kann bzw. heute mit der App den Bauern kennenlernen kann, der für die Produktion verantwortlich ist. Dass aber der Apfel auch mehrere Monate gekühlt gelagert wurde, und damit in Summe mehr Emissionen verursachen kann als der aus Übersee, wird dann beim Kauf grosszügig diskontiert. Die Chinesen z. B. bevorzugen beim Bau von Alleen schnellwachsende Bäume. Wachsen sie nicht schnell genug, werden sie ausgerissen und durch neue, andere Bäume ersetzt.