Kinderspital Zürich Vorplatz
Spitalbau der nächsten Generation

Kinderspital, Zürich

Im Zürcher Lengg Quartier entsteht derzeit das neue Kinderspital. Das architektonische Konzept von Herzog & de Meuron rückt die kleinen Patienten in den Fokus und mit ihnen die Menschen, die hier arbeiten. 4B ist beteiligt an den Fassaden, Fenstern und Türen dieses wegweisenden Projekts, das von den Materialien Holz und Glas geprägt sind.

Offene, luftige und natürlich eingerichtete Räume mit Blick ins Grüne – so etwa stellt man sich den idealen Rückzugsort zum Erholen vor. Warum aber hat man selten das gleiche Bild vor Augen, wenn das Stichwort Spital fällt – einem Ort zum Gesundwerden? Dabei belegen Sanatorien und Rehakliniken im Grünen längst, dass Heilung und Genesung in einer freundlichen und lichten Umgebung erfolgreicher verlaufen. Die Realität der Akutspitäler aber zeigt heute noch vielfach ganz andere Bedingungen: hohe Bettentürme, beengte Zimmer, labyrinthartige Wegnetze – ein Albtraum, nicht nur für Kinder. Auch das bisherige «Kispi» im Zürcher Hottinger Quartier ist seinen bisherigen Kapazitäten längst entwachsen und auf Provisorien angewiesen. Wie dagegen ein kindgerechter Gegenentwurf zu einem klassischen Krankenhaus aussehen kann, zeigen jetzt Herzog & de Meuron. Die Schweizer Architekten konnten in dem zweistufigen Wettbewerb, der 2011 von der Eleonorenstiftung lanciert wurde, mit ihrem Vorschlag überzeugen. Bereits die Ausschreibung vermittelt, dass nicht nur ein neues Spital, sondern auch eine wegweisende Architektur erwartet wurde: «Wir wünschen uns die Erschaffung eines Ortes mit Ausstrahlung, an dem sich sowohl Kleinkinder als auch Jugendliche und deren Eltern trotz ihres individuellen Schicksals so wohl und geborgen fühlen wie möglich, und der durch seine architektonische und funktionale Ausgestaltung den Behandlungsprozess und die Arbeit der Mitarbeitenden weitest möglich unterstützt.»

Eingangsbereich des neuen Kinderspitals in Zürich

Der Innenhof im Eingangsbereich demonstriert stellvertretend für alle Innenhöfe des Spitals die Idee der Architekten, Licht und Natur ins Gebäude zu bringen.

Licht, Orientierung, Bewegungsfreiheit

Mit ihrem Konzept stellen Herzog & de Meuron den gängigen Merkmalen von Spitalbauten etwas gegenüber, was auch in der Medizin eine wichtige Rolle spielt – die Ganzheitlichkeit. Sie manifestiert sich hier in einer horizontal organisierten Grossform und in einer von innen nach aussen durchgängigen, feingliedrigen Materialisierung. Sowohl die Horizontalität als auch die Ganzheitlichkeit sind gemäss Herzog & de Meuron aus dem Bewusstsein für Patienten und Mitarbeitende entwickelte Ziele und Ansprüche an die Architektur von Spitalbauten. Gemäss den primären Funktionsebenen schichteten die Architekten daher die Geschosse übereinander. Das sorgt für eine gute Orientierung und kurze Wege. Das Spital funktioniert wie eine Rasterstadt mit Strassen, Kreuzungen und Plätzen. Seine Funktionsbereiche sind die Quartiere und jedes Geschoss verfügt über eine Hauptstrasse. Eine Vielzahl von bepflanzten Innenhöfen unterschiedlicher Grösse belichtet und strukturiert das rechtwinklig organisierte Raumgefüge. Dabei dringt die Natur tief ins Gebäude ein. Wo Zugänge zu den wichtigsten Funktionsbereichen liegen, sind die Höfe durch eine runde Form gekennzeichnet. Das Erdgeschoss mit grossem, rundem Eingangshof ist die öffentlichste Zone innerhalb des Spitals. Hier befinden sich zentrale Untersuchungs- und Behandlungsbereiche mit der höchsten Frequenz an Besuchern und Patienten, inklusive Notfall- und Intensivpflegestationen sowie Operationssälen. In unmittelbarer Nähe zum Eingang liegen das Restaurant und der Zugang zu Therapiebereichen im ersten Untergeschoss. Im Zentrum des ersten Obergeschosses befinden sich beidseits der Hauptstrasse weitere Teile der Poliklinik. Sie sind von einer nach aussen orientierten Bürolandschaft mit rund 600 Arbeitsplätzen für das medizinische und administrative Personal umgeben. Die Patientenzimmer im obersten Geschoss sind als Quadranten ausgebildet, in denen insgesamt 114 Zimmer in einer Ringstruktur angeordnet und nach aussen orientiert liegen. Die individuellen Zimmer wirken wie wohnliche kleine Häuschen und bieten Kindern und Eltern mit ihren grossen Fenstern einen weiten Blick in die Landschaft und auf den See. Aus dem Spitalkomplex ausgegliedert wurden Forschungslabors und Lehre. Sie erhalten auf der anderen Seite der Lenggstrasse einen eigenen freistehenden Neubau.

Innenhof des neuen Kinderspitals in Zürich

Zu den grossen Herausforderungen für 4B zählte, dass mit den Profilen praktisch «Möbelstücke» aus Vollholz in eine Baustelle im Rohbau eingebaut werden mussten.

Objektspezifische Sonderlösungen

Mit dem Wunsch nach viel Tageslicht wurde speziell die Fassadenplanung zur Herausforderung. Denn der Bau beherbergt gut 150 verschiedene Raumtypen, die auch ganz unterschiedlich vor einfallendem Licht und Blicken abgeschirmt werden müssen. Ein wichtiger Punkt ist für die Architekten trotz allem die ästhetische Außenwirkung. Schon beim Haupteingang, der für den ersten Eindruck verantwortlich ist, wurde ein Statement gesetzt. Die einladend transparente Glasfront erstellte 4B aus einer Pfosten-Riegel-Konstruktion. Das Highlight ist hier eine halbrunde Schiebetüre auf entsprechend gebogenen Profilen. Der Haupteingang führt zum Empfangsbereich mit dem großen Innenhof, welcher stellvertretend für alle Innenhöfe des Spitals die Idee der Architekten demonstriert, Licht und Natur ins Gebäude zu bringen. Das gewünschte Bild für die abwechselnd runden und rechteckigen Innenhöfe waren daher Holzrahmen mit großformatigen Glasscheiben. Die Materialisierung erfolgte in der heute eher ungewöhnlichen Variante von Holz-Holz Rahmen. Wobei es sich innen um Weißtanne und außen um eine Deckschale aus Douglasie handelt. Andreas Burkart, Leiter Abwicklung Fassaden, erklärt: «Für die Pfosten-Riegel- Fassade in Holz-Holz haben wir in Absprache mit den Planern zuerst ein Mockup im Werk gebaut und anhand von dem eine Lösung in ihrem Sinne entwickelt. Denn Holz-Holz ist ja nicht unbedingt Standard.» Bei den Ansichtsbreiten handelt es sich um 100 mm bei den Pfosten und 65 mm den Riegeln, für die objektspezifische Sonderprofile gezogen wurden. In den teilweise rund ausgeprägten Innenhöfen handelt es sich um polygonale Anordnungen des Pfosten-Riegel-Systems. Im ersten Untergeschoss, das sich wegen der Hanglage einseitig zur Umgebung öffnet, verbaute 4B ebenfalls die Pfosten-Riegel-Fassade mit großen Glasanteilen. Auch die Oberflächenbeschaffenheit der Elemente spielt überall im Spital eine große Rolle. Damit diese beständig sind gegen die verwendeten Desinfektionsmittel, wurden ebenfalls viele Tests durchgeführt. Die Herausforderung in der Zusammenarbeit mit den Architekten bestand und besteht auch nach Angabe von Andreas Burkart «in deren spürbar hohen Ansprüchen hinsichtlich Erscheinungsbild und Wirkung. So mussten auch die technischen Elemente möglichst entwurfsnah eingebracht werden».

Stockwerkgerechte Elemente

Die Lösung für die vielen unterschiedlichen Raumnutzungen lösten die Architekten im Bereich der Fassade mit einem vorgelagerten Betonrahmen, der Teil der Tragstruktur ist und die beiden unteren Stockwerke zusammenfasst. Er ermöglicht ein Geflecht aus verschiedenen Materialien, die zum Beispiel als Trennelemente eingebracht werden können. Die Fassade selbst ist im Untergeschoss wiederum eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, die innen eine Holzdeckschale besitzt. In allen zugänglichen Bereichen wurde ein RC2 Einbruchschutz hinzugefügt. Die Fenster und Türen aus Holz wurden im Werk in Hochdorf im Zwei- bis Drei-Schicht-Betrieb vorfabriziert, um die jeweils termingerechte Auslieferung zu gewährleisten. Bei den aufgesetzten Patientenzimmern im Obergeschoss kommt das Fenstersystem NF1 von 4B zum Einsatz, auf das ebenfalls eine Deckschale aus massiver Douglasie aufgesetzt wurde. Zudem wurden Distanzhalter für die spätere Montage von Markisen angebracht. Neben den Fassadenelementen verbaute 4B auch diverse automatische Schiebetüren aus Metall an mehreren Orten innerhalb des Gebäudes. Um die Nachhaltigkeit des Baus zu gewährleisten, erfolgt die Planung nach Standards der SGNI (Schweizerische Gesellschaft für nachhaltiges Immobilienmanagement) mit dem Ziel der Zertifizierung in Platin. Alle Produkte werden daher bereits vor und während der Produktion auf Herkunft und Rezyklierfähigkeit geprüft. Schon im Normalfall gehört der Bau eines Spitals zu den komplexesten Aufgaben überhaupt. Bei der Erstellung des neuartigen Kinderspitals in Zürich sind über 50 verschiedene Teams im Einsatz, die abgestimmt zusammenarbeiten müssen, um eine Architektur zu realisieren, die im Genesungsprozess tatsächlich eine Rolle spielt. Der Umzug in das neue Kispi soll schliesslich 2024 erfolgen.